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  Die Geschichte eines Bootes
14.07.2013 von Herbertron

Ich war ein stolzer Baum im Dschungel. Es war mein Bestreben, mich über alle Bäume zu erheben. Aber eines Tages kamen Männer des nahen Dorfes und schlugen mich ab. Hilflos lag ich nun auf der Erde. Die Männer hieben und meisselten an mir herum. Immer mehr meines starken, harten Holzes holten sie aus mir heraus. Ich erkannte, daß ich vollkommen verändert wurde. Ich fragte mich, was von mir noch übrig bliebe.Es tröstete mich sehr, daß die Arbeiter liebevoll mit mir waren.Sie sagten:"Du wirst gebraucht. Darum müssen wir so hart mit dir umgehen." Nach und nach hatte ich alle meine Vorstellungen aufgegeben von dem, was ich sein wollte. Alle Vorstellungen von Größe und Macht hatte ich losgelassen. Als ich nur noch aus einer dünnen Wand bestand, und mich leer, elend und schwach fühlte, lächelten sich die Männer zufrieden zu, nahmen mich auf die Schulter und trugen mich ans Wasser.

Nie zuvor hatte ich so viel Wasser gesehen. Sie legten mich hinein. Mich überkam große Angst, denn ich fühlte nirgends den gewohnten Halt der Erde. Aber auf einmal spürte ich, wie ich getragen wurde. Es war ein nie gekanntes Gefühl. Es machte mich zutiefst ruhig und unbeschreiblich froh. Voller Vertrauen gab ich mich dem neuen Element hin. Und je mehr ich einverstanden war mit meinem Schicksal, umso mehr spürte ich eine Leichtigkeit und ganz im Einklang mit den blinkenden Wellen wiegte ich auf und ab. Ich erkannte, daß meine Leere mich trug.

Nun kamen die Dorfleute. Sie stiegen ein. Alle Schmerzen waren vergessen, als ich sah, daß ich tragfähig geworden war. Durch meine Leere habe ich die Fülle erfahren. Die Erfüllung meines Daseins, Die Menschen stießen vom Ufer ab, und in tiefer Dankbarkeit trug ich sie auf dem Wasser des Lebens neuen Ufern entgegen.
Susanna Buczko


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